Integration von Gewerbe in städtische Randzonen
Untersuchung zu architektonischen Zielgrößen, Anforderungen und Lösungsprinzipien funktionsgemischter Bauwerke
Dr.-Ing. Carolin Harland
Die nachhaltige Entwicklung städtischer Randzonen gewinnt angesichts ungenutzter Flächenpotenziale an Bedeutung. Anders als dichte Innenstädte sind diese Gebiete von geringer baulicher Dichte, hallenartigen Gewerbebauten und diffusen Strukturen geprägt. Diffuse Gemengelagen von Wohnen und Gewerbe führen zudem häufig zu Nutzungskonflikten und städtebaulichen Defiziten. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach städtischen Wohn- und Gewerbeflächen untersucht die vorliegende Arbeit die typologische Konzeptionierung funktionsgemischter Bauwerke als Beitrag zur nachhaltigen Transformation dieser Räume.Zentral ist die Frage, wie Gewerbe- und Gewerbe-Wohnbauten architektonisch zu gestalten sind, um eine gelungene Funktionsmischung in städtischen Randzonen zu ermöglichen. Auch großmaßstäbliches Gewerbe wird berücksichtigt. Ziel ist die Identifikation von Zielgrößen, Anforderungen und Lösungsprinzipien, die funktionale, gestalterische und städtebauliche Qualitäten integrieren.Die Methodik folgt einem Dreiklang aus Case Study Research zur Anforderungserhebung, Design Research zur Entwicklung von Testentwürfen und zur Ableitung von Spannungsfeldern und Lösungsprinzipien sowie der Morphologischen Analyse zur Strukturierung der Ergebnisse. Grundlage bilden 14 Fallstudien, zwei Aachener Referenzräume, 16 Interviews, 14 Testentwürfe und 62 gebaute Referenzbeispiele.Die Ergebnisse gliedern sich in drei Bereiche: Erstens definieren fünf Zielgrößen das normative Spannungsfeld funktionsgemischter Bauwerke zwischen den Zielen des Gewerbebaus sowie der Baukultur und des Städtebaus. Darauf aufbauend wurde, zweitens, ein umfassender Anforderungskatalog erstellt, der auf Fallstudien, Interviews und einem Workshop basiert und die Perspektiven unterschiedlicher Akteur*Innen – darunter Nutzende, Betreibende, Planende und Stadt – integriert. Zur Strukturierung des Anforderungsspektrums wurden drei prototypische Gewerbetypen (M, L, XL) sowie fünf zentrale Gestaltungsgrößen (Raumprogramm, bebaute/unbebaute Fläche, Erschließung, Tragwerk, Hülle) als Strukturelemente entwickelt. Drittens wurden auf Grundlage von 14 Testentwürfen 15 wiederkehrende Spannungsfelder identifiziert – typische, wiederkehrende Konflikte im Entwurf funktionsgemischter Bauwerke, die bei der Umsetzung von Einzelanforderungen in ein Bauwerk entstehen. Für jedes Spannungsfeld wurden architektonische Lösungsprinzipien abgeleitet (insgesamt 64), die im Morphologischen Kasten systematisch strukturiert und anhand von Referenzbeispielen illustriert werden. Der Morphologische Kasten macht die zentralen planerischen Herausforderungen der Typologie sichtbar und bietet ein gezielt kombinierbares Spektrum unterschiedlicher Lösungsansätze mit verschiedenen Qualitäten. Die Arbeit leistet einen grundlegenden Beitrag zur architektonischen Konzeptionierung der Typologie und damit zur Integration von Gewerbe in städtische Randzonen. Der Morphologische Kasten dient als praxisnahes Entwurfswerkzeug und als Ausgangspunkt für zukünftige Forschung – als lebendiges Instrument, das sich durch Anwendung kontinuierlich weiterentwickeln lässt.
> Veröffentlichung auf RWTH Publications